Du weist ja, wir lieben Neuseeland. Für Outdoorfreunde, wie wir es sind, ist es auch wirklich das Paradies auf Erden. Ob zum Surfen an den Strand oder zum Wandern ins Backcountry: Neuseelands Natur ist atemberaubend und Touristenmagnet Nummer eins.
Und Natur findet man auch wirklich genug: Neuseeland beherbergt dreizehn „National Parks“ und unzählige weitere Naturschutzgebiete bekannt als „Conservation Areas“, sodass man zum Beispiel als Wanderer wochenlang abseits jeglicher Zivilisationen unterwegs sein kann. Insgesamt ist in Neuseeland über 25% der Fläche geschützt, Deutschland kommt auf gerade einmal 4%!
Der Fakt, dass verglichen zu anderen westlichen Staaten in Neuseeland überdurchschnittlich viel Natur zu finden ist hat sich der Tourismusverband mit „100% PURE NEWZEALAND“ erfolgreich zunutze gemacht. Seitdem gilt Neuseeland bei Menschen überall auf der Welt als „das grüne Land am anderen Ende der Welt“.
Zweifellos ist an dieser Vorstellung auch etwas dran. Unberührte Natur die gibt es, aber bedeutet das, dass die Neuseeländer wirkich so umweltbewusst sind, wie häufig behauptet?
Typisch Neuseeland: Die Kuh auf dem grünen Hügel?
Ich erinnere mich an unsere erste Berührung mit Neuseeland zurück. Nur wenige Tage nachdem der Flieger uns in Auckland in das neuseeländische Großstadtleben absetzte, sind wir der Stadt so schnell wir konnten wieder entflohen. Als frischgebackene Work and Traveller düsen wir mit dem neuerstandenen Auto Richtung Süden. Grüne Hügel mit Schafen und Kühen, so weit das Auge reicht. Wir können uns gar nicht sattsehen. „Diese wunderschöne unberührte Natur“, dachten wir. Eineinhalb Jahre später erinnern wir uns an zahlreiche Aussagen internationaler Bus-Touris der selben Art, und wissen es inzwischen besser:
Diese „grünen Hügel“ sind nämlich alles andere als „unberührte Natur“, sie sind Ergebnis einer gigantischen Abholzung. Leider. Denn eigentlich passen die unzähligen Kühe und Schafe auf ihren süßen grünen „Hobbit“-Hügeln doch so gut zu Neuseeland, oder nicht? Kaum vorstellbar also, dass Neuseeland zur Ankunft der Maori noch zu fast 100 Prozent bewaldet war!
Kühe so weit das Auge reicht? Neuseelands „Dairyfarms“!
Ein weiterer interessanter Fakt am Rande: die Neuseeländer mögen ihre Kühe nämlich überhaupt nicht so sehr, wie man vielleicht erwarten könnte. Und das obwohl Neuseeland Milchexporteur Nr. 1 ist! Um diese Hassliebe zu verstehen, haben wir einige Zeit und zahlreiche Gespräche mit Kiwis gebraucht. Und ja, die Milchwirtschaft sorgt in Neuseeland für verschmutzte Flussläufe und zu hohe Stickstoffanteile in der Luft. Trotzdem, jeder hat sie: die eigene Kuh(herde).
Erst kürzlich mussten wir schmunzeln weil passend zum Thema, ein Aufruf aus Großbritannien, man sollte sich Neuseeland nicht mehr als Vorbild nehmen, zu etwas internationaler Aufregung führte:
New Zealand is “so „pure“ the people of Christchurch won’t even swim in the river Avon. Most of the lakes are full of algae. It is like a beautiful person with cancer.” (Theguardian 4.12.17, Sir Tim Smit)
Leider stimmt es: zwei Drittel der heimischen Süßwasserfischarten sind seit kurzem vom Aussterben bedroht. Vor einigen Jahren waren viele Flüsse im Sommer beliebte Badeplätze. Lediglich an 20% dieser Plätze kann man nun noch bedenkenlos baden gehen.
Von Seiten der Kritiker wird hingegen bemerkt, dass die Untersuchung der Badeplätze besser ausfallen würde, wenn diese nicht so nah an besiedelten Gebieten liegen würden. Ich bin mir nicht sicher, ob mich diese Aussage trösten soll, zumindest stimmt es aber: Neuseelands Flüsse im Backcountry gehören zu den klarsten überhaupt: Angler aus aller Welt reisen an um hier einen Lachs an der Rute zu haben. Ich erinnere mich noch gut an unsere staunenden Gesichter, als wir beim Wandern erstmals glasklare türkisblaue Flüsse entdeckten.
Momentan arbeitet die „New Zealand Biosecurity“ an der Eindämmung von Süßwasseralgen, die zumindest auf der Südinsel einigen Schaden angerichtet haben. Wer hier Wassersport treiben oder Angeln möchte ist nun dazu verpflichtet, seine komplette Ausrüstung vor und nach dem Kontakt mit Süßwasser zu desinfizieren.
Die Plastiktüten – Mentalität
Unseren größten „Neuseeland Schock“ haben wir damals direkt am ersten Tag in Neuseeland erlitten. Und zwar beim Einkaufen. Wer schon mal in Neuseeland war der weiß was jetzt kommt: die „jeder Artikel braucht eine einzelne Plastiktüte – Mentalität“.
Während man von Europa Kassierer gewöhnt ist, welche Waren hektisch über den Scanner ziehen, packt die neuseeländische Kassiererin die Artikel Hand für Hand zurück in den Einkaufswagen. Aber nicht bevor nicht jeder Artikel in eine einzelne Plastiktüte gelegt wurde! Wer denkt ich übertreibe, sei beruhigt, das habe ich auch. Aber nur ein kleines bisschen. Fakt ist nämlich, dass die Verkäufer in Neuseeland dazu angehalten werden, die Tüten lieber halb voll als bis zum Rand gefüllt zu überreichen, sodass wir tatsächlich des Öfteren nur einen einzigen Artikel in einer Plastiktüte hatten!
Wollt ihr auch auf die Plastiktüten verzichten, dann wundert euch nicht wenn ihr an der Kasse einen schiefen Blick erntet. Manchmal werden wir so komisch angeschaut, wahrscheinlich ist unser Verhalten wirklich höchst absurd. 😀
Kleiner Funfakt am Rande: jeder Neuseeländer verbraucht im Schnitt ca. 400 Mülltüten im Jahr, das ist mehr als eine Tüte pro Tag!
Update von April 2019: Die neuseeländische Regierung hat reagiert und Plastiktüten beim Einkauf verboten. Wir sind so froh über diese Entwicklung!
Typisch Neuseeland? Ein Japanischer Gebrauchtwagen!
Habt ihr euch mal gefragt, warum Neuseeländer so häufig japanische Gebrauchtwagen fahren? Wir uns schon, und zwar von der Sekunde an, in welcher wir auf Probefahrt mit unserem ersten Auto waren. Es war, wer hätte es gedacht, ein gebraucht aus Japan importierter Honda.
Typisch Neuseeland einfach! Aber wieso? Neuseeland hat geringe Importvorschriften für Gebrauchtwagen hinsichtlich der Emissionswerte und Sicherheitsaspekte. Fahrzeuge die in Japan also aufgrund zu hoher Emissionswerte oder Sicherheitsmängel nichts mehr wert wären, werden einfach nach Neuseeland importiert. Deshalb interessiert es auch meist keinen, dass bei eben diesen Fahrzeugen die Motorkontrollleuchte (zeigt u.a. zu hohe Abgas / Emissionswerte an) des Öfteren leuchtet, es handelt sich dann einfach um einen „Wackelkontakt“.
Und das obwohl sich Neuseeland damit rühmt besonders klare und reine Luft zu haben?
Ich finde es ja trotzdem sympathisch, dass es in Neuseeland so abwegig ist sich den neusten Wagen zu kaufen. Undenkbar für Deutsche, dass das Durchschnittsalter der Fahrzeuge in Neuseeland 14 Jahre beträgt, Tendenz steigend!
Aber, das Ganze hat einen entscheidenden Nachteil: Neuseeland wird seine schrottreifen Wagen nicht los. Es sind einfach zu viele. Wer sein Fahrzeug also nicht mehr braucht, der parkt es einfach am Straßenrand ab. Zumindest könnte man das denken. Insbesondere in ländlichen Gebieten sieht man unglaublich viele Schrottwagen, die irgendwo einfach abgestellt wurden. Erlaubt ist das natürlich nicht, das hält den ein oder anderen davon wohl aber nicht ab.
Neuseeland und der liebe Müll?
Neuseeländer und Müll. Das ist aber eh so eine ganz spezielle Sache. Wer schon einmal auf einer neuseeländischen Farm gelebt hat, der kennt bestimmt folgendes: den privaten Schrottplatz des Farmers hinterm Haus. Auf diesem findet sich dann, zwischen Altpapier und Holzresten, die alte Matraze genauso wie Metall jeglicher Art, eben alles was auf so einer Farm übrig bleibt und nicht in den Hausmülleimer gepasst hat. Das wird dann einfach verbrannt, und der Rest, der bleibt halt da wo es ist. Auch das ist typisch Neuseeland.
Laut Neuseelands Regionalräten, handelt es sich um mehrere tausend Tonnen Müll die in Neuseeland pro Jahr auf Farmen illegal verbrannt oder vergraben werden. Leider können sie dagegen nur wenig unternehmen, da sich die Deponien auf Privatgelände befinden.
Hier findest du weitere Infos zu diesem Thema.
Der fahrradfahrende Neuseeländer?
Letztens wollten Micha und ich einfach mal mit dem Fahrrad zum Strand fahren, und haben es gleich darauf auch wieder bereut! Nicht nur, dass ein Fahrradnetz in Neuseeland quasi nicht existiert, als Fahrradfahrer hat man sich auch schneller den Ruf als Verkehrsbehinderung anstatt als Umweltbewusster verdient. Wer als Europäer an die Vorstellung fahrradfahrender Schüler oder Studenten gewohnt ist, der wird in Neuseeland so einige Überraschungen erleben. Statt zahlreichen Fahrrädern vor der Schule befindet sich hier meist ein großer Parkplatz, das selbstständige Autofahren ist nunmal schon ab 16 erlaubt.
So nun aber genug gemeckert?
Große Pläne für Neuseelands Elektrizität!
Wusstet ihr, dass Neuseeland 2017 85% der Elektrizität aus erneuerbaren Energien, hauptsächlich Wasserkraft, gezogen hat? Oder das die Premierministerin Helen Clark 2007 verkündet hat, das Neuseeland das umweltfreundlichste Land der Welt zu werden soll und 2025 fast 100% erneuerbare Energien nutzen möchte?
Da können sich andere Länder ruhig auch etwas abschauen, oder?
Die Aussage der Premierministerin hat aber international für einiges Geschmunzel und Skepsis gesorgt. Warum? Kaum zu glauben, aber die Neuseeländer gehören zu den größten Energieverbrauchern der Welt. Zur Zeit der Verkündung waren die Emissionen pro Kopf so hoch, dass Neuseeland nicht einmal die Vereinbarungen des Kyoto Protokolls einhalten konnte. Viel verändert hat sich seitdem nicht. 2017 verbrauchten die Neuseeländer immer noch 20% mehr Energie als der internationale Durchschnitt!
Weitere Infos dazu findest du hier.
Neuseeland ist ein Land der Doppelmoral
Ein Land, welches bei der Einreise Gepäck auf frische Lebensmittel und Samen an den Schuhsohlen untersucht, aber wo qualmende Trucks kein Problem sind.
Ein Land, wo jeder Bioprodukte kauft, weil es gut für die Umwelt ist, den Plastikmüll dann aber im Garten vergräbt (selbst gesehen!)
UND: ganz wichtig, unser Lieblingsland!
Neuseeland ist wunderschön, aber deshalb ist hier längst nicht alles so ‚clean and green‘ wie gerne betont wird, es gibt die selben Umweltprobleme wie in Europa auch. Werft einen Blick hinter die Touristenfassade, es lohnt sich!
Wenn ihr wissen wollt, wie wir es geschafft haben einen Einblick in den Alltag der Kiwis zu bekommen, für den haben wir hier den passenden Artikel.
7 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Gut beobachtet, gut recherchiert, dickes Danke und großes Lob!
Ich war weit über ein Dutzend Mal in NZ und habe mich schon bei der ersten Reise vor gewundert, wieso das Land so ein tolles, grünes Image hat. Ich liebe NZ, aber ich nehme mir das Recht, kritisch zu sein (und bemühe mich dabei, nicht „belehrende“ rüber zu kommen). Ich kritisiere auch viele Freedom Camper, die sicher eine „grüne“ Grundeinstellung im Leben haben, aber weil es billig ist, fahren sie mit Autors durchs Land, die schlicht weg Dreckschleudern sind, ganz zu schweigen von der Vermüllung der Parkplätze, auf denen sie übernachten u.a. mit den obligatorischen Plastiktüten und sonstigen Verpackungen. Und was Du über die Farmen und ihre Müllentsorgung schreibst, gilt leider sogar über touristische Betriebe, die einfach die nach Gewicht bzw. Volumen berechneten Müllgebühren sparen wollen und in irgendwelchen nicht einsehbaren Ecken Müll verbrennen. Ich hoffe nur, dass die Kritik, die auch in internationalen Medien langsam wächst, im Land ein Umdenken erzeugt. Wenn Tourism New Zealand unter Druck gerät, gerät auch Neuseelands Wirtschaft unter Druck und dann wird es Reaktionen geben!
Hallo! Danke für deinen Kommentar!
Das stimmt es muss ein generelles Umdenken in der Gesellschaft stattfinden und auch ein Umdenken unter den Touristen.
Leider gibt es immer wieder Touristen, welche sich komplett gar nicht für ihre Umwelt interessieren.
Doch auch hier in Neuseeland scheint das Umdenken allmählich in Gang zu kommen und wir hoffen stark, dass es bald Fortschritte gibt.
Ganz liebe Grüße
Micha
Hi,
ich kann eure Erzählungen leider nur 1 zu 1 bestätigen. Es gibt sie diese Farmen wo Müll vergraben oder verbrannt wird. Ebenfalls die Autos und die übermäßige Landwirtschaft.
Können wir nur froh sein das es sowenige Neuseeländer gibt und das es, wenn auch langsam, dort ankommt das es so nicht ewig weiter gehen kann.
Machen wir uns nichts vor, auch in Deutschland hat es einige Jahre gebraucht bis der Sinn von Mülltrennung und Co. Gesellschaftsfähig wurde und auch in den Köpfen angekommen ist. Hoffen wir das die Neuseeländer den richtigen wink bekommen und jeder seinen Möglichkeiten entsprechend mit hilft das Neuseeland ein schönes Land bleibt.
Lieben Gruß Julian
Hey Julian!
Danke für deinen Kommentar!
Natürlich wird es einige Zeit dauern, bis das Thema Umweltschutz ein wenig tiefer in den Köpfen der Kiwis verankert ist.
Was wir nur erstaunlich fanden, sind die Extreme, welche gelebt werden. Zum einem gibt es die Biosecurity, Schuhwaschanlagen bevor man Wälder betritt und 1080, zum anderen aber fast keinerlei Regelungen und Gesetze in Sachen Mülltrennung etc.
Drücken wir Neuseeland mal die Daumen!
Liebe Grüße Miri und Micha
Kaum zu glauben wie schlecht ihr Neuseeland macht.
Als ob ihr zu entscheiden habt wo die Maßstäbe gesetzt werden.
Neuseeland ist genau das, was es auch zu sein scheint.
Und das es nicht überall in Neuseeland so aussieht wie in Reportagen und Zeitschriften kann man sich wohl denken.
Hey Daniel!
Erstmal danke für deinen Kommentar und deine Meinung zu dieser Thematik!
Wir betrachten eine kritische Betrachtung unseres Lieblingslandes nicht unbedingt als „schlecht machen“, sondern vielmehr versuchen wir dadurch herauszufinden woran man noch arbeiten kann. Die Maßstäbe werden dafür natürlich nicht von uns gesetzt aber durchaus von der Natur. Übermäßiger Plastikmüll, zu hohe Emissionswerte etc. sind immerhin keine Einfälle von uns sondern durchaus Realität.
Gerade als Backpacker und Reisender sollte man sich mit dem Thema Umweltschutz gut auseinandersetzen, da man einiges in eine positive Richtung steuern kann und auch sollte. Probleme zu ignorieren würde an dieser Stelle nichts bringen und würde vieles womöglich nur noch verschlimmern.
In unserem Heimatland Deutschland setzen wir uns auch sehr oft mit dieser Thematik auseinander, welche übrigens grenzenübergreifend ist. Denn die Entwicklung in anderen Ländern, wird auch in jedem anderen Land früher oder später zu spüren sein.
Verantwortungsvolles Reisen und das ein- oder andere Mal etwas kritischer hinterfragen können durchaus etwas bewirken.
Wir wünschen dir auf deinen Reisen weiterhin viel Spaß
Micha und Miri
Mein Traum wär bis vor kurzem nach Neuseeland auszuwandern. Ich habe dann aber gelesen dass in Neuseeland sämtlicher Müll zu 100% in Deponien „entsorgt“ wird. Ob das der Wahrheit entspricht will ich nicht behaupten aber darüber zu lesen hat mir schon sehr zu denken gegeben. Von einem ziviliesirten Staat erwarte ich ein anderes Vorgehen in Sachen Umweltschutz.