Marokko, ein Land voller Kultur, Gegensätze und einzigartiger Eindrücke. Für mich ein absolutes Paradies. Doch selbst die Schönheit Marokkos, ist leider nicht vor dem Coronovirus gefeilt. Was anfänglich ganz entfernt schien, kam ziemlich schnell merklich näher. In diesem Erfahrungsbericht möchte ich euch einen Einblick in die Evakuierung und die Ausreisesperre aus Marokko und den Werdegang der letzten Tage geben.
Hinweis: Ich war bereits zum Arbeiten in Marokko, als es in dem wunderschönen Land noch nicht einen einzigen Coronafall zu verzeichnen gab. Auch vom Auswärtigen Amt gab es zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Reisewarnungen oder sonstige Hinweise/Einschränkungen.
14. März 2020: Verkündung des Ausreiseverbots aus Marokko
Es wird mal wieder Zeit zu frühstücken. Während ich genüsslich meinen Kaffee schlürfe verfolge ich die aktuelle Tagesnews. Plötzlich heißt es, dass man von Marokko aus nicht mehr nach Spanien, Frankreich und Italien fliegen darf. Das erscheint mir an dieser Stelle logisch, für Deutschland wird es bestimmt auch in den nächsten Tagen folgen. Aus diesem Grund entschied ich mich dazu, noch am selben Tag einen Rückflug für den darauffolgenden Sonntag zu bekommen.
Kaum fertig gebucht, bekomme ich die Information, dass bereits ab 9 Uhr morgens kein Flüge mehr von und vor allem nach Deutschland fliegen sollen. Ich finde den Einreisestop ebenfalls sehr wichtig, doch verstehe nicht ganz, warum eine Ausreise in die jeweiligen Heimatländer verboten werden soll. Mein Flug würde regulär 13 Uhr fliegen, also keine vier Stunden nach Beginn des Ausreiseverbots. Ich habe zu dieser Zeit noch die Hoffnung, den Flug am Sonntag noch nehmen zu können. Doch leider geht mein Rückflug anscheinend vier Stunden zu spät, denn Lufthansa hat mir am Nachmittag mitgeteilt, dass der Flug leider nicht stattfinden wird.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich für einen kurzen Augenblick „Gefangen“ gefühlt. Obwohl es mir gut ging, ich gut versorgt war und nichts zu befürchten hatte, beunruhigte mich die Situation und die damit verbundene Ungewissheit. Mich verunsicherte nicht die Viruserkrankung an sich, da ich ich während meiner langjährigen Arbeit im Rettungsdienst schon mit weitaus gefährlicheren Infektionskrankheiten in Kontakt gekommen bin. Lediglich der Faktor „Zeit“ verunsicherte mich, da mir niemand sagen konnte, wie lange das Ausreiseverbot bestehen bleiben wird. Ein Monat wäre kein Problem für mich gewesen, alles darüber hinaus wäre jedoch problematisch geworden.
Welche Schritte folgten nachdem Marokko ein Ausreiseverbot verhängt hatte?
Zuerst habe ich mit der Botschaft telefoniert und wollte wissen, ob die Entscheidung wirklich endgültig war und es keine Möglichkeit der Ausreise gibt. Die Botschaftsmitarbeiter konnten mir zu diesem Zeitpunkt noch keine verbindliche Aussage geben, da sie selbst nur spärliche Informationen erhalten haben.
Als nächstes habe ich mich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts eingetragen. Darüber kann die Botschaft einsehen, wer in Marokko feststeckt und wer ausreisen möchte. Darüberhinaus dient es gleichzeitig als eine Art Newsletter. Ich habe regelmäßig Updates über die aktuellen Entwicklungen erhalten und fühlte mich dadurch sehr gut betreut.
In solchen Situationen sollte man sich jedoch nicht nur auf fremde Personen und auf die Botschaft verlassen, sondern auch Eigeninitiative ergreifen. Ich habe also weiterhin nach Flügen gesucht, Airlines kontaktiert und recherchiert, welchen Flughafen ich im besten Fall ansteuern sollte. Da kam ich ziemlich schnell zu dem Entschluss, dass Marrakesh die beste Wahl darstellt. Von hier aus gehen viele internationale Flüge, sollte ich also nicht nach Deutschland fliegen können, dann besteht immerhin die Möglichkeit in ein anderes EU-Land fliegen zu können.
Doch möchte ich überhaupt Hals über Kopf ausreisen? Zu dieser Zeit wusste ich nämlich nicht so richtig, was ich überhaupt möchte. Kurzzeitig hatte ich mich sogar mit dem Gedanken angefreundet, die aktuelle Lage in Marokko auszusitzen. Doch da man einfach nicht wissen konnte, wie sich die Situation noch zuspitzen könnte, habe ich mich gegen die 27 Grad Außentemperatur entschieden. Als der marokkanische König noch dazu bekannt gab, dass alle Restaurants, Moscheen und Schulen ab dem kommenden Montag schließen sollen, hab ich mich in meiner Entscheidung bestärkt gefühlt.
Zusammen mit einem schwedischen Freund habe ich mich auf den Weg nach Marrakesh gemacht. Allein auf der Fahrt sind so viele verrückte Dinge passiert. Wir mussten mehrfach anhalten, da Joakim eine Absage seines Flugs bekommen hat und wir haben alles dran gesetzt direkt eine neue Verbindung für ihn zu bekommen. Dazu mussten wir das Taxi mitten im nirgends parken lassen, damit wir an den Laptop konnten. Nur so war es möglich eine Umbuchung vornehmen zu können. Glaubt mir ich werde nie vergessen, wie ich mit dem Handy durch die Steinwüste irre um gutes Netz für einen Hotspot zu bekommen und Joakim ist mit seinem Macbook hinter mir hergelaufen.
Zwei Stunden später sind wir in unserem Apartment in Marrakesh angekommen. Eigentlich sollten wir nach einem solchen Tag wirklich müde sein, doch wir sind einfach viel zu aufgewühlt, als dass wir auch nur an Schlaf denken könnten. Doch eins war uns wichtig: wir wollten nicht länger über Corona sprechen, sondern über alle anderen Themen und so hatten wir letztlich einen richtig witzigen Abend.
Der letzte Tag in Marokko
Als ich mich 6 Uhr 30 von meinem schwedischen Leidensgenossen verabschiede, wusste ich noch nicht, dass heute mein letzter Tag in Marokko sein sollte. Während Joakim ein Taxi zum Flughafen genommen hat, bin auf die Dachterasse und habe ein ausgewogenes Frühstück genossen.
Anschließend habe ich das gemacht, was in der Situation am besten war: gearbeitet. Unterbrochen wurde ich nur von der Email der Deutschen Botschaft. Ich soll in zwei Stunden in Agadir sein, denn dann geht ein Rettungsflug nach Deutschland. Ich setze mich kurz, atme durch und rufe dann die Botschaft an, um meinen Flug abzusagen. Es wäre nicht möglich gewesen, da ich allein zum Flughafen 3,5 Stunden gebraucht hätte. Die freundliche Mitarbeiterin am Telefon hat mir daraufhin empfohlen umgehend zum Flughafen Marrakesh zu fahren. Diesen Tipp habe ich beherzt und bin 30 Minuten später am Flughafen gewesen.
Die Lage am Flughafen in Marrakesh – Rettungsflug
Ich war überrascht von der aktuellen Situation am Flughafen. Am Einlass wurde auf gefährliche Gegenstände und Sprengstoff kontrolliert und im Flughafen versuchten die Airlines eine gewissen Reihenfolge in das Geschehen zu bringen. Das hat auch ganz gut geklappt um ehrlich zu sein. Es war kein Gefühl von Panik zu verpüren.
In der Menschenmenge sah ich eine Person mit einem Deutschlandschild stehen. Drumherum standen ca. 100 gestrandete Deutsche Touristen. Kurz nach meiner Ankunft wurden wir von mehreren Botschaftsmitarbeitern instruiert und uns wurde versichert, dass alle Personen, die vor Ort sind, nach Deutschland kommen werde. Ich war von der Professionalität und der gleichzeitigen Lockerheit wirklich überrascht. Trotz der schwierigen Situation schafften es die Mitarbeiter immer wieder die Betroffenen zum Lachen zu bringen.
Ablauf und Organisation des Rettungsfluges
Nach einer kurzen Einweisung wurden wir informiert, dass in den nächsten Stunden zwei Flieger nach Deutschland aufbrechen werden. Eine Lufthansamaschine und eine von Condor. Anschließend wurden wir zum Schalter der Fluglinien gebracht und konnten dort den regulären Check-in durchführen. Faszinierend war, dass wir zu keinem Zeitpunkt in einer Schlange stehen mussten, sondern das wir überall ohne Verzögerung durchgeschleust wurden.
Trotz der guten Organisation, ging es einigen deutschen Touristen nicht zügig genug und daher gab es ,trotz der positiven Entwicklungen, Beleidigungen gegenüber dem Botschaftspersonal und viel Geheule und Geschrei. In meinen Augen absolut nicht nachvollziehbar. Ich war dankbar über den gesamten Ablauf und man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass man nicht in einem Kriegsgebiet ist. Die meisten haben sich im Urlaub befunden und haben das Glück , dass ihr Heimatland sie jetzt zurückholt. Andere Länder interessiert es absolut nicht, ob irgendwelche Touristen in Urlaubsländern feststecken. Doch genug Negatives geredet, kommen wir mal zum weiteren Ablauf.
Im Transitbereich angekommen, mussten wir dann nochmal ca. 1,5 Stunden warten, bevor wir in den Flieger konnten. Auf im Flugzeug haben wir noch etwas warten müssen, da man erstmal einen Slot bekommen musste, bevor wir abheben durften.
Der einzige Kritikpunkt ist die Tatsache, dass noch noch über 100 Plätze im Flugzeug zur verfügung standen und man noch deutlich mehr Personen hätte ausfliegen können. Doch leider kam es in der Kommunikation immer wieder zu Missverständnissen und daher sind leider nicht alle angeschriebenen Touristen zum Flughafen gekommen. Viele befanden sich einfach zu weit entfernt und haben es daher nicht rechtzeitig geschafft.
17 Uhr 30 war es dann soweit, wir befinden uns auf Flughöhe auf dem Weg in Richtung Frankfurt. Im Flugzeug herrscht eine Art Feierstimmung, die meisten bestellen Wein und Sekt und bereits nach dem Start haben viele applaudiert.
Ankunft in Frankfurt
Anbekommen in Frankfurt wussten wir alle nicht so richtig was auf uns zukommen wird. Zu meiner Überraschung war alles ungewöhnlich gewöhnlich. Normale Passkontrolle und komplett normales Prozedere. Einziger Unterschied, es durften wirklich nur EU-Bürger das Land betreten.
Interessanterweise habe ich keinen einzigen Flughafenmitarbeiter gesehen, der irgendwelche Handschuhe, Masken oder ähnliches getragen hat. Auch die Bundespolizei hat auf Schutzausrüstung verzichtet. Das hat zu einer weiteren großen Entspannung geführt, obwohl es gleichzeitig etwas verwirrend war.
Rückfahrt nach Rostock mit der Deutschen Bahn
Nachdem ich mein Gepäck hatte, habe ich mich auf den Weg zu den Zügen gemacht. Hier wollte ich den Zug nach Rostock nehmen und musste dafür in Hamburg umsteigen. Glücklicherweise hat die Deutsche Bahn entschieden, dass für alle zurückgeholten Bürger das Flugticket auch gleichzeitig das Bahnticket ist. Somit konnte man kostenfrei zurück in seine Heimatstadt fahren. Danke liebe DB!
Situation in der Bahn
Dadurch es ziemlich spät war, waren bis auf ein paar zurückgekehrte Touristen kaum Personen in den Zügen. Die Kontrollen verliefen normal und es gab mit den Bordingtickets keinerlei Probleme. Alles lief unkompliziert ab. Der einzige Unterschied zu den sonstigen Ticketkontrollen war, dass das Personal mehr Abstand eingehalten hat und sie die Tickets nicht in die Hand genommen haben.
9 Uhr 45 am nächsten Morgen bin ich endlich in Rostock angekommen. Ich war froh und gleichzeitig etwas enttäuscht darüber wieder zu Hause zu sein. Es war nämlich nicht die schönste Art ein Land zu verlassen. Trotzdem bin ich natürlich unendlich glücklich darüber, Miri wieder an meiner Seite zu haben.
Die letzten Tage waren einfach surreal. In kürzester Zeit sind so viele Dinge passiert, dadurch wurde Zeit relativ. Der normale Aufenthalt in Marokko kam mir vor, als wäre er vor Jahren gewesen.
So bin ich während der Krisensituation in Marokko vorgegangen:
Um dir im Krisenfall etwas helfen zu können wollte ich dir ein paar Schritte auflisten, welche mir wirklich weitergeholfen haben. Die folgenden Punkte haben sich für mich bewährt. Es kann natürlich in deiner Situation etwas variieren und daher ist es wichtig, dass du die Entscheidung für dich triffst.
Im Krisenfall kann ich folgende Schritte empfehlen:
- Bewahre Ruhe! Panik führt zu unsinnigen Entscheidungen!
- Eigeninitiative zeigen (!!!)
- Reiseveranstalter oder Airline kontaktieren und Alternativen finden.
- Trage dich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts ein.
- Informiere deine Angehörigen kurz über die aktuelle Situation.
- Entscheide, ob du vor Ort bleiben möchtest oder doch lieber nach Hause.
- Solltest du vor Ort bleiben, dann überprüfe dringend den Status deiner Auslandskrankenversicherung, da es eventuell Ausschlussklauseln für Krisengebiete und Krisensituationen geben kann.
- Checke regelmäßig deine Emails und begib dich in Unterkünfte, welche sich in der Nähe von größeren Flughäfen befinden.
- Stell sicher, dass du jederzeit erreichbar bist.
- Bewahre Ruhe!
Abschließend möchte ich sagen, dass ich mich trotz der Reisewarnung und des Ausreiseverbots in Marokko rundum sicher gefühlt habe. Die Marokkaner waren sehr hilfsbereit und dadurch hatte man nie das Gefühl wirklich in der „Klemme“ zu stecken. Dabei sollte man sowieso nie vergessen, die meisten Betroffenen „flüchten“ zur Zeit aus einer Urlaubsregion, mit vollem Magen und mit dem Wissen, dass die Regierung innerhalb kurzer Zeit Hilfe entsandt hat. In dem Sinne, danke liebe Bundesregierung und liebe Lufthansa. Und eine dickes Dankeschön an die Deutsche Bahn für ihre unkomplizierte Hilfe in diesen verrückten Zeiten!
Solltest du noch Fragen zu meinen Erlebnissen in Marokko haben, dann schreib doch gern einen Kommentar oder einfach eine Nachricht. Wir freuen uns darauf und hoffen dir weiterhelfen zu können!